

Interview: Schülerinnen und Schüler sind aktuell gefordert, Technik zu nutzen, um am Unterricht teilzunehmen. Das rückt zugleich MINT-Fächer wie Informatik und Technik stärker in den Fokus. Die Organisation „Teach First Deutschland“ unterstützt dabei, dass möglichst alle Jugendlichen Zugang zum digitalen Lernen erhalten.
Teach First Deutschland
Im Zuge der Auswirkungen der Corona-Pandemie ist die Bedeutung der MINT-Fächer stark gestiegen: Dank digitaler Lern- und Austauschformate kann der Unterricht trotz vorübergehend geschlossener Schulen auch im heimischen Kinderzimmer stattfinden. Die Organisation Teach First Deutschland engagiert sich dafür, dass alle Schülerinnen und Schüler auch die Möglichkeit hierzu haben – von der technischen Grundausstattung bis zur persönlichen Unterstützung beim Wechsel vom analogen zum digitalen Lernen. Wilke Ziemann, stellvertretender Geschäftsführer von TFD, erklärt im Gespräch, worauf es gerade ankommt.
Herr Ziemann, was genau steckt hinter der Organisation Teach First Deutschland?
Teach First Deutschland startete vor zehn Jahren in Deutschland mit dem Anspruch, Chancenungerechtigkeit zu begegnen. Wir zeigen, dass Schülerinnen und Schüler aus sozial herausforderndem Umfeld erfolgreich sein können. Dafür sind Hochschulabsolventinnen und -absolventen verschiedener Studienrichtungen als Fellows im Einsatz. Sie arbeiten für zwei Jahre an sogenannten Brennpunktschulen und unterstützen Lehrkräfte im Fachunterricht sowie in außerschulischen Projekten. Zudem fördern Fellows ihre Schülerinnen und Schüler individuell, damit sie den Übergang in die nächste Jahrgangsstufe oder zur weiterführenden Schule erfolgreich meistern. Dadurch haben die Schülerinnen und Schüler bessere Startchancen für ihr späteres Leben. Und viele Fellows engagieren sich nach ihrem zweijährigen Einsatz weiter für Bildungsgerechtigkeit – indem sie in der Schule verbleiben, in der Verwaltung arbeiten oder auch eigene NGOs gründen.
ist eine gemeinnützige Bildungsorganisation, die zeigt, dass Jugendliche in sozialen Brennpunkten erfolgreich sein können. Dafür sind Fellows als zusätzliche Lehrkäfte im Einsatz. Als Partner der MINT-Allianz für Bildung zu Hause helfen sie sozial benachteiligten Jugendlichen aktuell dabei, den Anschluss an das digitale Lernen nicht zu verpassen. Teach First Deutschland
Die Corona-Pandemie zieht gravierende Veränderungen und Herausforderungen an den Schulen nach sich. Wie hat das die Arbeit Ihrer Fellows beeinflusst?
Wir haben zunächst einmal die Erfahrung gemacht, dass Schulen zu den letzten analogen Orten in Deutschland gehören und dass sich Bildungsungerechtigkeit dadurch weiter verschärft. Wir sind an Schulen, an denen Schülerinnen und Schüler aus sozial schwächer gestellten Familien in die Schule gehen und wir haben hier andere Voraussetzungen, um an digitalem Unterricht teilzunehmen. Das liegt einmal an den Endgeräten, die nicht immer geeignet sind, um digitale Lernformate zu ermöglichen; das liegt oftmals an fehlendem Datenvolumen und auch an der Situation zu Hause. In vielen Wohnungen fehlt der Rückzugsort, um konzentriert arbeiten zu können. Da sehen wir, dass gerade die Jugendlichen, mit denen wir arbeiten, hier eine andere Unterstützung benötigen als viele andere, bei denen ein Netzwerk und technische Ausstattung vorhanden sind und deren Eltern sich engagieren können.
Ist es Ihnen gelungen, an dieser Stelle zu unterstützen?
Man könnte sagen, dass die 240 Fellows, die im letzten Schuljahr im Einsatz waren, 240 Antworten darauf gefunden haben, wie das funktionieren kann. Es musste viel erprobt werden, aber wir haben Learnings in diesem letzten Schulhalbjahr erarbeitet, um uns besser auf das nächste Schuljahr einstellen zu können:
Diese sieben Erkenntnisse haben wir in Vorbereitung auf das nächste Schuljahr gesammelt, um flexibel zu sein in einer Situation, von der wir alle nicht wissen, wie ein Unterricht in der Schule stattfinden kann und ob nicht doch wieder ein Wechsel zu digitalem Distance Learning notwendig sein wird.
Als Partner der Allianz für MINT-Bildung zu Hause setzen Sie sich genau für diese genannten Punkte beim Wechsel vom analogen zum digitalen Lernen ein. Konnten Sie die Situation auch für eine Förderung in den MINT-Fächern konkret nutzen?
Ja, denn plötzlich mit Technik arbeiten zu müssen, um überhaupt lernen zu können, rückt die MINT-Fächer in den Fokus. Denn es wird deutlich, warum diese Themen aus Informatik und Technik wichtig für das weitere Leben sind. Hier haben die Fellows auch die Gelegenheit, auf die Lebenswelt der Jugendlichen näher einzugehen und eine Verbindung zu schaffen mit dem, was im schulischen Curriculum steht. Es entstehen neue Möglichkeiten, mit Spaß zu lernen und damit dann auch erfolgreicher zu werden. Die Fellows haben auch Formate neu zu nutzen gelernt. Ein Beispiel wäre die Plattform Twitch, die eigentlich vor allem von Gamern verwendet wird, auf der aber auch Prüfungsvorbereitungen für Mathe hochgeladen werden können. Damit konnten unsere Fellows die Jugendlichen mit einem für sie sehr spannenden technischen Tool nochmal anders zum Lernen bringen.
Nutzen Sie auch die Angebote der anderen MINT-Allianzpartner?
Das war für uns schon immer wichtig: Den Fellows in ihrer dreiwöchigen Ausbildung und während ihrer Einsatzzeit an den Schulen zu vermitteln, dass sie nicht alles selbst erfinden müssen, da es bereits viele Angebote gibt, neben den interaktiven Mathebüchern von bettermarks auch Initiativen wie Calliope oder Jugend forscht. Andererseits gibt es auch Alumni, die solche Angebote selbst entwickeln, z. B. die App Camps, die seit einigen Jahren von der Vector Stiftung unterstützt werden. Als Unterstützung braucht es dabei vor allem Know-how, Ressourcen und Engagement. Es ist eine große Hilfe, dass es etablierte Schulangebote gibt, die hier genutzt werden können und die auf der Plattform der MINT-Allianz zusammengebracht werden.
Vielen Dank für das Gespräch.